Mit Beate Baron, Regisseurin der Operette DIE FLEDERMAUS von Johann Strauss, trafen sich Tatjana Beyer, leitende Dramaturgin des Musiktheaters, und Tim Lucas, Pressesprecher, auf ein Bier in der Brauerei Feierling. Herausgekommen ist ein Gespräch über kulinarische Besonderheiten der Region, badische Lebensfreude und die Familientauglichkeit des Theaterbetriebs.

Die Kellnerin bringt drei Schalen mit Feldsalat und drei kleine „Inselhopf”…

Tatjana Beyer: Ein Traum!

Beate Baron: Jetzt wird alles gut, endlich.

Tim Lucas: Kein Alkohol ist auch keine Lösung.

Alle: Zum Wohl!

Tatjana Beyer: Ja, es ist Feldsalatzeit. Ich kann euch sagen, die Salate hier sind wirklich phänomenal.

Beate Baron: Ich war auf dem Münstermarkt, vor der Klavierhauptprobe. Erst da hab’ ich kapiert, dass da jeden Tag Markt ist.

Tatjana Beyer: Habe ich dir aber früher schon gesagt.

Beate Baron: Ja, habe ich aber vergessen oder nicht begriffen. Ich war total krank und dann habe ich mir gedacht, jetzt kaufe ich endlich mal gesunde Sachen. Dann habe ich mir ‘ne Tüte Gemüse gekauft und einen Salat und Äpfel und all so Zeug und bei mir zuhause in den Kühlschrank getan. Und sofort vergessen. Und am Sonntag, knapp eine Woche später (ich hatte Lammfilet gekauft), fiel mir der Salat ein und ich dachte, ach Mist, der Salat ist jetzt bestimmt durch. Dann habe ich die ersten Blätter abgenommen und es erst gar nicht gecheckt: der war total fit, frisch und toll.

Tatjana Beyer: Das ist Südbadener Qualität. Glückliches Gemüse, nicht weit gereist, nicht schockgefroren und einfach. Obst und Gemüse haben’s hier einfach gut, ja, ja ...

Beate Baron: Und auf dem Markt, da war so eine wunderbare Frau, die habe ich kennenglernt. Das war so ein Zufall irgendwie. Vor der Klavierhauptprobe haben sich alle in der Produktion ein wenig kränklich gefühlt und ich dachte mir: Wir brauchen Vitamine! Also bin ich auf den Markt gegangen und hab gesagt: „Ich brauch jetzt drei Kilo Äpfel, also so ca. 25 Äpfel.“ Dann sagte die Frau am Obststand: „Suchen Sie sich doch gerne welche aus”, und hat mir eine große Tüte gegeben, in der ich dann eine Mischung aus verschiedenen Äpfeln hatte. Als ich am nächsten Dienstag wiederkam, wollte ich für mich nur ein paar Äpfel. Da hat sie sich direkt an mich erinnert und sagte: „Brauchen Sie wieder 25 Äpfel, nehmen Sie doch die, die und diese hier, für Ihre Kolleg_innen, die sind sehr gut“. Das fand ich schon toll. Genauso wie die Bäckerin auf meinem Weg ins Theater, die mir immer sagte, sie sei eine Ballettratte gewesen.

Tim Lucas: Deine Bäckerin war eine Ballettratte?

Beate Baron: Ja genau, die Bäckereifachverkäuferin in der Bäckerei auf meinem Weg zum Theater. Also ein kleiner Bäcker. Und eine sehr, sehr, sehr nette Dame. Ich bin da immer morgens hingegangen mit meiner Kaffeetasse und die Dame sagte dann: „Ach da haben Sie Ihre Tasse, geben Sie her“, und zack aufgefüllt, die war so unkompliziert. Und dazu habe ich mir immer noch ein Croissant geholt. Das war ein sehr angenehmer erster morgendlicher Kontakt, bevor man in die Welt gegangen ist, gar nicht trutschig oder nervig. Und das Croissant war auch sehr gut.

Tatjana Beyer: Wirklich?

Beate Baron: Ja wirklich, ich habs dabei, pass auf.

Tatjana Beyer: Nee, jetzt gerade nicht, später vielleicht.

Beate Baron: Also wirklich ein tolles Croissant …

Die Fledermaus // Roberto Gionfriddo, Samantha Gaul, Solen Mainguené// Foto: Tanja Dorendorf // T+T Fotografie / 2018
Die Fledermaus // Solen Mainguené, Joshua Kohl // Foto: Tanja Dorendorf // T+T Fotografie / 2018
Die Fledermaus // Samantha Gaul // Foto: Tanja Dorendorf // T+T Fotografie / 2018
Die Fledermaus // Samantha Gaul // Foto: Tanja Dorendorf // T+T Fotografie / 2018
Die Fledermaus // Opernchor, Solen Mainguené, Roberto Gionfriddo // Foto: Tanja Dorendorf // T+T Fotografie / 2018
Die Fledermaus // Angela Falkenhan // Foto: Tanja Dorendorf // T+T Fotografie / 2018

Die Kellnerin bringt das Essen.

Beate Baron: Ah, oh, das sieht aber lecker aus, Wahnsinn. Mhm mhm. Ja, guten Appetit.

Tim Lucas schaut auf seinen mit Schweinebraten überfüllten Teller: Es musste was Leichtes sein …

Tatjana Beyer & Beate Baron: Guten Appetit!

Tim Lucas: Ja ‘n Guten.

Tatjana Beyer: Und in die Gaststätte „Schwabentörle” hast du dich auch verliebt, oder?

Beate Baron: Ja genau.

Tim Lucas: Warum?

Beate Baron: Ich hab eine Schwester, die ist der kulinarische Sherlock Holmes. Meine Mutter und sie haben das beste Restaurant in Freiburg gesucht und irgendwie sind sie dabei auf das „Schwabentörle” gekommen. Dann sind die dahin gegangen und kamen schwärmend zurück: „Du musst da hin, das Essen ist fantastisch“. Das Essen ist da auch gar nicht so teuer. Dann bin ich da hingegangen, auch als ich noch ein bisschen kränklich war und habe mir Leber, sauer, bestellt, das hat mich gerettet, danach konnte ich erstmal wieder richtig schlafen. Das ist da wirklich ohne jedes Schi Schi, man wird nicht belästigt von niemandem, sondern man ist einfach da und isst und dann ist gut. Und das wars. Dann habe ich mir auch Michel und Gwen (Bühnenbildner und Kostümbildnerin) geschnappt. Fast unsere ganze Gage ist fürs Essen drauf gegangen. Dann sind wir da hin und haben immer alle das gleiche bestellt. So Tagesmenü, schön groß und lecker. Also die waren auch ganz überzeugt davon und ich kann das „Schwabentörle” sowohl in Gesellschaft, als auch alleine nur empfehlen, weil es einfach so gut ist.

Wir waren auch viel im „Schwarzen Kater”, da ist es auch nett. Da gibt es Weißweinschorle im großen Saftglas, also auch super.

Und ich finde den Gutedel ganz fantastisch, besonders auf dem „Buckhof” in Horben oder auch der Gutedel im „Hofcafé” in Horben - fantastico.

Tatjana Beyer: Wie bist du eigentlich auf den Horben und den Buckhof gekommen?

Beate Baron: Ganz durch Zufall. Ich wohnte die erste Probenwoche auf einem Bauernhof in Horben, mit meiner Tochter und meiner Mutter. Das war auch super, die hatten ganz viele Tiere, ein großes Grundstück und die Gegend war auch wunderschön. Der Bauernhof hat uns dann das „Dorfcafé” empfohlen und da hat es gut geschmeckt, vor allem der Kuchen und meine Mutter jauchzte und freute sich: „Ach hier werde ich jeden Tag essen gehen“, und ich sagte: „Mach das, ich gehe jetzt proben.” Am nächsten Tag bin ich dann los und als ich wieder kam sagte meine Mutter: „Also, Bela-Rosa (meine Tochter), die hat jetzt einen neuen Freund, den Wirt vom „Dorfcafé”, der sie immer grüßen lässt. Ich hatte allerdings selten Zeit da zu essen. Am Sonntag, als ich dann mal Zeit hatte, habe ich mir gedacht: komm wir wandern zum „Eckhof” hoch, da gibt’s gutes Eis. Als wir dann oben ankamen, haben wir Hartmut Stanke getroffen. „Hallo, ach wie schön!“ sagte er. Hartmut ist dieser wunderbare Schauspieler im Ensemble des Theaters und er hat für uns mit einem Wahnsinns-Einsatz Sprachcoaching bei der FLEDERMAUS gemacht und mit den Sängern_innen ihren Stil durchgearbeitet. Hartmut hat uns dann wiederum den „Buckhof” empfohlen. Das Tolle sei der Biergarten, es war noch richtig schönes Wetter und warm. Ich habe ihm dann wiederum das „Dorcafé” in Horben empfohlen, von dem ich vorher sprach. Auf dem „Buckhof” war kein Tisch mehr frei, also haben wir uns an einen Tisch zu einem reizenden Ehepaar dazugesetzt, mit denen wir dann ins Gespräch kamen - ein Gespräch, wie ich es seit langem schon nicht mehr hatte, über den „Buckhof”, das Essen, die Menschen, Freiburg und die Gesellschaft und so was. Es war überhaupt nicht aufdringlich und total nett.

Tatjana Beyer: Das Ehepaar, dass dann auch bei der Generalprobe da war?

Beate Baron: Ich weiß es nicht, ich hab sie nicht gesehen. Auf jeden Fall kamen wir dann auf das Theater zu sprechen und das Ehepaar meinte, sie wären schon lange nicht mehr im Theater gewesen, weil Ihnen das letzte Stück überhaupt nicht gefallen hatte, weil so komisch rumgeschrien wurde.

Kann ich verstehen, sagte ich ihnen. Aber geben Sie doch dem Theater einfach noch eine Chance, nicht zuletzt wegen der Menschen dort, weil die wirklich hart arbeiten und sich alle Gedanken machen. Ich sagte, dann kommen Sie doch zur FLEDERMAUS und wenn es Ihnen nicht gefällt, dann versprechen Sie mir, dass Sie zur nächsten Produktion gehen und den Stücken eine Chance geben. Und wer weiß … Es war wirklich so ein nettes Gespräch. Wir sprachen auch über die Gesellschaft, Philosophie und alles Mögliche.

Tatjana Beyer: Ich wollte nochmal fragen, deine Tochter Bela-Rosa war jetzt nicht die ganze Zeit da oder?

Beate Baron: Ja das ist so ein zweischneidiges Schwert, sie war anfangs drei Wochen da und dann vier Wochen in Berlin beim Vater. Wenn sie da ist, ist das eine emotionale Sache - aber, wenn sie nicht da ist, kann ich mich besser auf meine Arbeit konzentrieren.

Tatjana Beyer: Wie kriegt man das geregelt mit Kind als Regisseurin, die während einer Produktion Tag und Nacht arbeitet? Oder macht das auch produktiv während der Arbeit zwischendurch auf den Spielplatz zu gehen?

Beate Baron: Ja klar, auf der Wippe zu entspannen, neue Ideen zu sammeln, oder einfach mal abzuschalten ist wichtig, hat aber auch seinen Haken, weil man ja auch auf dem Spielplatz trotzdem weiter funktionieren muss. Die Aufmerksamkeit, die ich meiner Tochter schenke, ist genau so intensiv, wie die für meine Arbeit, daher ist auch die Anstrengung doppelt so hoch, wenn sie da ist während ich inszeniere. Ist sie dann weg, vermisse ich sie und frage mich, was ich hier eigentlich mache und wo sie ist. Momentan geht nur das eine oder das andere, daher, wie gesagt, es hat seine Vor- und Nachteile.

Tatjana Beyer: Ich glaube dieses Verhalten teilst du mit vielen anderen Regisseur_innen. Auch wenn du in einer Beziehung bist. Man taucht beim Inszenieren einfach völlig ab und ist nur noch auf das Projekt fokussiert. So als ob man in seine eigene Welt eintaucht und alles andere abschirmt. Ich finde das ist echt eine Herausforderung, auch für das private Umfeld. Siehst du da eine Möglichkeit wie dieses Problem gehandhabt werden kann?

Beate Baron: Ja, von vornherein Kinderbetreuung. Das wäre natürlich fantastisch und das gilt ja nicht nur für mich, sondern alle Eltern. Der Kollege vom Ton zum Beispiel, muss auf die Minute pünktlich aus dem Theater und dreht dann manchmal scheinbar etwas herzlos den Ton ab, weil seine Kinder auf ihn warten. Und diesen Druck, unter dem man dann steht, kann ich auch total nachempfinden. Da wäre dann eine richtige Kinderbetreuung äußerst hilfreich.

Tatjana Beyer: Also eine Kita im oder am Theater meinst du?

Beate Baron: Ja genau. Das Theater Freiburg hat zum Teil ein sehr junges Ensemble und dann heißt es auf der einen Seite, man will junge Leute. Aber auf der anderen Seite (ich habe letztens mit einer jungen Sängerin drüber gesprochen) ist für die Ensemblemitglieder gar nicht klar, wie eine Familie in die Zukunftsplanung reinpassen könnte. Sie konnte sich das einfach überhaupt nicht vorstellen, vor allem, was das für Auswirkungen auf die Karriere hat. Wenn es zur Familienplanung kommt, ist immer die Frage bei Frauen: Muss ich meine Karriere aufgeben? Man muss aber dazu sagen, dass diese Situation nicht nur auf Frauen, sondern auch auf Männer zutrifft.

Tim Lucas: Aus meiner Erfahrung gesprochen muss ich sagen, dass ich überwiegend in Arbeitskontexten gearbeitet habe, die nicht familienfreundlich waren. Ist wohl ein Zeichen der Zeit.

Beate Baron: Genau, es geht nicht nur um die Frauen, da hast du vollkommen Recht. An sich geht es darum, dass dem Menschen das Leben in seiner Fülle ermöglicht wird. Jungen Menschen, die eine Familie planen wollen, sollte diese Möglichkeit gegeben sein, ohne auf zuvor mit harter Arbeit Erreichtes verzichten zu müssen. Ein Sänger-Kollege aus der Produktion hier probt vier Stunden am Stück wie ein Berserker, rennt danach mit seinen Kindern zur Kirmes und probt danach nochmal vier Stunden. Ich persönlich wäre danach gestorben … aber es ist leider nun mal nicht anders möglich. Weil er seine Kinder liebt, sagt er ... Das ist auf gewisse Weise nicht nur familien-, sondern auch lebensfeindlich. Na gut schwierige Themen hier.

Tim Lucas & Tatjana Beyer: Wann kommt denn der Schnaps?

Beate Baron studierte Regie bei Götz Friedrich in Hamburg und an der HfM „Hanns Eisler“ Berlin, sowie interdisziplinäre Komposition bei Wolfgang Heiniger und Jörg Mainka. Sie arbeitete als persönliche Regieassistentin Götz Friedrichs an der Deutschen Oper Berlin. Mit Hans Neuenfels verbindet sie eine lange Zusammenarbeit. 2008 gewann sie den Ring Award 08.off sowie den Sonderpreis der Komischen Oper Berlin. Beate Baron entwickelte verschiedene Musiktheaterstücke, Installationen und Videoarbeiten wie z.B. für das Theater Aachen, die Komische Oper Berlin, Dresden Hellerau, Dom im Berg Graz, Neuköllner Oper Berlin u. a. Im Rahmen der Ruhrtriennale inszenierte Beate Baron ihre Musiktheaterkreation AUTLAND. Weiterhin inszeniert sie an namhaften Theatern wie u. a Theater Koblenz, Städtische Bühnen Wuppertal, Radialsystem Berlin Staatstheater Saarbrücken, Deutsches Theater Göttingen, Oper Frankfurt, Staatsoper Berlin.