Zur Wiederentdeckung und Deutschen Erstaufführung
von César Francks Oper HULDA // Regie: Tilman Knabe
Störer

Heiko Voss: César Francks Oper HULDA steht in der Reihe der erfolgreichen Freiburger Opern-Ausgrabungen. Warum hat sich das Theater Freiburg für die Spielzeit 18/19 gerade für diese Oper entschieden? Wie lange dauerte der Vorlauf auf die Premiere im Februar 2019?

Eigentlich wollten wir das Werk bereits in der ersten Spielzeit von Peter Carp auf die Bühne bringen. Doch dann hat sich das Projekt als um einiges komplizierter erwiesen, als wir gedacht haben. Die Partitur, die beim Verlag vorlag, entsprach leider nicht dem Original, sondern war eine sehr verkürzte Fassung. Die fehlenden Teile waren zunächst unauffindbar. Wir sind dann in der Bibliothèque Nationale in Paris fündig geworden. Dort liegt das Manuskript, auf dessen Grundlage wir das Werk komplettiert haben. Das hat viel Zeit in Anspruch genommen. Toll daran ist aber, dass wir jetzt für diese Spielzeit sogar zwei Ausgrabungen haben, in der Oper und im Konzert.

Franck hat seine vorletzte Oper zu Lebzeiten nie gehört, erst einige Jahre nach seinem Tod wurde sie in einer stark gekürzten Fassung uraufgeführt. Seitdem hat sie ihren Weg auf die Bühne nicht mehr gefunden. Worin liegt das Potenzial dieser Oper, dass wir sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts wiederbeleben wollen?

Hätte man diese Oper damals ohne die Kürzungen gespielt, hätte sie einen Skandal in der Größenordnung einer CARMEN provoziert. Bizets CARMEN stellte die damalige bürgerliche Sexualmoral sowie die Position der Frau komplett in Frage. HULDA tut das ebenso, prangert aber zusätzlich den Kolonialismus an: Es geht hier um nichts weniger als um ganze Völker, die sich gegenseitig versklaven und zerstören. Die Geschichte ist von einer ungeheuerlichen Kraft und verurteilt gleichzeitig jede Form von Gewalt, sowohl die vermeintlich gerechte Rache Huldas, als auch die Gewaltausübung der Kolonisatoren – ein Thema, das in der Zeit tabu war, noch dazu realistisch dargestellt. Das erklärt, warum die Oper gekürzt gespielt wurde: Sie wäre schlicht eine Ungeheuerlichkeit gewesen, gerade weil sie politisch hochaktuell war.

Wie muss man sich Francks Musik vorstellen? Welche Komponisten sind seine Vorbilder?

Die Sprache Francks ist eine sehr persönliche. Er hat zwar viel bei Wagner und Liszt gelernt, doch seine eigene harmonische und melodische Sprache ist unverkennbar. Man wird oft an den Komponisten der Geigensonate, der Symphonie in D-Dur, der Variationen erinnert. Aber auch seine Orgelmusik ist immer wieder präsent. Franck findet einen Tonfall, der eine sehr dezente und feine, aber dennoch starke Dramatik entfaltet. Der große, brutale Gestus, wie wir ihn später bei Richard Strauss kennenlernen, ist Francks Sache nicht. Und dennoch erzählt die Musik das Drama. Hierin ist er, obwohl nahe am deutschen Expressionismus, doch noch richtig französisch. Man könnte fast sagen: HULDA ist eine der sehr wenigen expressionistischen französischen Opern.

FABRICE BOLLON

geboren in Paris, absolvierte sein Dirigierstudium am Mozarteum Salzburg in den Meisterklassen von Michael Gielen und Nikolaus Harnoncourt. Von 1994 bis 1998 war er Chefdirigent des Sinfonieorchesters von Flandern und von 1998 bis 2003 stellvertretender Generalmusikdirektor an der Oper Chemnitz. Er arbeitete wiederholt mit Orchestern wie dem Residentie Orchester Den Haag, dem Orchèstre National de Lyon, dem Orchèstre Philharmonique du Luxembourg, der Oper Maastricht, dem New Japan Philharmonic Orchestra, der Hollands Sinfonia und dem Brabants Orkest zusammen sowie mit zahlreichen deutschen Orchestern wie dem Radio- Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (dabei entstanden mehrere CD-Aufnahmen, u. a. mit Werken von Wolfgang Rihm), dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, dem HR Sinfonieorchester Frankfurt, dem Konzerthausorchester Berlin (u. a. CD-Einspielung mit Werken von Ernest Bloch), dem NDR Rundfunkorchester Hamburg oder dem MDR Sinfonieorchester. Seit 2008/09 ist er Generalmusikdirektor am Theater Freiburg, dort dirigierte er in der Spielzeit 2010/11 u. a. die Gesamtaufführung von Richard Wagners RING DES NIBELUNGEN sowie mehrere CD-Aufnahmen mit dem Philharmonischen Orchester Freiburg. Die CD der Oper FRANCESCA DA RIMINI wird von der internationalen Kritik als Referenzaufnahme gepriesen. 2013 dirigierte er Wagners TANNHÄUSER in Moskau (erste Wagner-Produktion seit 90 Jahren) und ist seither dort regelmäßig als Gastdirigent tätig. Zudem tritt er mit dem Belgrad Philharmonic Orchestra und dem Radio Orchester Ljubljana auf. Fabrice Bollon tritt auch als Komponist in Erscheinung und realisierte als solcher das Konzert VIDERUNT OMNES FÜR DJ UND ORCHESTER (UA 2009 Leipzig) und ein KONZERT FÜR E-CELLO UND ORCHESTER (UA 2011 Karlsruhe). Im Jahr 2014 fand die Premiere seiner Oper OSCAR UND DIE DAME IN ROSA am Theater Freiburg statt.

Mit der Unterstützung der ExcellenceInitiative der TheaterFreunde Freiburg